Das Buch wird in den Rezensionen sehr unterschiedlich bewertet. Das ist auf jeden Fall ein Hinweis darauf, dass es kein gewöhnliches Buch ist. Mal sehen.
„Strukturell war das sporadische Mitarbeiten in Betrieben aber schwer zu realisieren – ein Unstand, der aus Jeromes Sicht gegen das gegenwärtige Wirtschaftssystem sprach. Viel mehr Menschen sollten viel mehr verschiedene Dinge tun, fand er, der Staat könnte Jahresverträge für ungewohnte Tätigkeiten ausstellen, sodass jeder Bürger die Möglichkeit bekäme, sich in zyklisch wechselnden Arbeitsumfeldern immer neu kennenzulernen, mit Berührungpunkten zu allen Gesellschaftsteilen. Neue Impulse wären bis ins hohe Alter garantiert, lebenslanges Lernen, gleiche Bezahlung für alle, vier Tage Wochenende. Wer reich werden wollte, könnte die langen Wochenenden nutzen, um eine Bonuskarriere voranzutreiben, alle anderen würden sich privat verwirklichen – in Beziehungen, in der Kunst, im Gaming, im Sport.“
(S.56)
Die Idee gefällt mir. Erstaunlich ist für mich aber nicht so sehr die Idee an sich, sondern die schnörkellose Art, sie in wenigen Sätzen zu formulieren. Dadurch wirkt das Buch – nein, wirken die Hauptpersonen der Geschichte, immer sehr reflektiert und kontrolliert und das auch dann, wenn es um persönliche Befindlichkeiten geht. Ein Fest für den Psychologen in mir. Noch ein Beispiel:
„Jerome Baby, ich glaube dein Staat würde uns alle zu besseren Menschen machen. Aber ich muss zugeben, dass ich keinen anderen Beruf ausprobieren möchte als den, den ich habe. Ich bin sehr in den Eigensinn hinein sozialisiert worden. Und die Erfahrung zeigt, dass ich für andere nur erträglich bin, wenn ich ausschließlich das tue, was ich mag.“
S.58
Was wie eine Liebesgeschichte anfängt, stellt sich später fast schon als Milieustudie heraus. Die beiden Hauptakteure bleiben immer kontrolliert und reflektiert. Es ist als kuratieren sie ihr eigenes Leben. Darüber werden sie zu Gefangenen des angestrebten Images. Sie wirken wie Abziehbilder der Generation Instagram. Dennoch kann man nicht sagen, sie wären oberflächlich, im Gegenteil sind sie sehr aufmerksam in Bezug auf die eigenen Befindlichkeiten und die des jeweils anderen.
Die Beziehung der beiden hat Höhen und Tiefen. Sie trennen sich und kommen wieder zusammen. Eine dauerhafte Bindung entsteht nicht, obwohl eine große Vertrautheit zu bestehen scheint. Als eine weitere Person in das Leben von Jerome tritt, eine Person, die eigentlich schon sehr viel länger da war, nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung.
28.3.20 – 3.4.20